Vorgehen bei Notfällen

Vorgehen bei Notfällen

Ein Großnotfall mit im Extremfall hundert oder noch mehr Ratten ist für jeden, der sich in der Notfallvermittlung betätigt eine Horrorvorstellung, aber tritt leider immer wieder auf, wenn die Vermehrung außer Kontrolle gerät und sich der Verursacher nicht sofort Hilfe holt, weil er vielleicht denkt, er bekommt das sicher wieder selbst in den Griff.

Dann ist umsichtiges Handeln gefragt, auch wenn man am liebsten schnellst möglich vielen der Ratten ein gutes Zuhause verschaffen möchte.

Es gibt vor der Vermittlung der Ratten einiges zu bedenken:


1) Seuchenschutzuntersuchungen auf (human)pathogene Keime durch das Veterinäramt

Einige möglicherweise auftretende Krankheiten sind ...

  • Hantaviren
  • Kuhpocken
  • Leptospiren
  • Salmonellen
  • Sialodacryoadenitis (SDA)-Virus
  • weitere ...

Ein Bluttest kann hierüber Aufschluss bringen.

Bei Ratten bietet die laterale Schwanzvene oder die Vena saphena lateralis, die hinter dem äußeren Knöchel verläuft, eine gute Möglichkeit zur Blutentnahme.


2) Mögliche Trächtigkeiten der Weibchen

Werden potentiell trächtige Weibchen vom Tierarzt mit Alizin behandelt?

So unschön so ein Schwangerschaftsabbruch ist, ist er bei einem großen Notfall oft sinnvoll, weil sich bei etlichen trächtigen Weibchen sonst die ohnehin schon große Anzahl an Ratten schnell noch verdoppelt oder vervielfacht. Bei Ratten in schlechtem Zustand und dem Stress, unter dem sie stehen, kann es außerdem vorkommen, dass Babys gefressen werden.

Alizin sollte in der ersten Hälfte der Schwangerschaft gespritzt werden, solange die Babys noch nicht zu ertasten sind, weil sonst das Risiko für die Mutter zu groß wird. Eine Behandlung muss also meist nur auf den Verdacht einer Trächtigkeit hin erfolgen.

  • Dosierung Alizin (nach "Leitsymptome bei Hamster, Ratet, Maus und Rennmaus"): 10 mg Wirkstoff pro kg Körpergewicht, vom Tierarzt 2x im Abstand von 24 Stunden zu spritzen


3) Milben und andere Parasiten

Mit einem guten SpotOn lassen sich nicht nur Parasiten wie Milben oder Läuse abtöten, sondern man behandelt gegen die meisten Wurmarten gleichzeitig mit.

Beispielsweise wirkt Ivomec gegen eine Vielzahl von Parasiten ...

Magen- und Darmrundwürmer:

  • Ostertagia spp. (adulte, L3 und L4, einschliesslich inhibierte Ostertagia ostertagi)
  • Haemonchus placei (adulte, L3 und L4)
  • Trichostrongylus spp. (adulte und L4)
  • Cooperia spp. (adulte und L4)
  • Oesophagostomum radiatum (adulte, L3 und L4)
  • Nematodirus spp. (adulte)
  • Strongyloides papillosus (adulte)
  • Bunostomum phlebotomum (adulte, L3 und L4)
  • Toxocara vitulorum (adulte)


Lungenwürmer:

  • Dictyocaulus viviparus (adulte, L4 und inhibierte Stadien)


Andere Rundwürmer:

  • Parafilaria bovicola (adulte)
  • Thelazia spp. (adulte)


Dasselfliegen (parasitische Stadien):

  • Hypoderma spp.


Läuse:

  • Haematopinus eurysternus
  • Linognathus vituli
  • Solenopotes capillatus


Räudemilben:

  • Psoroptes communis var. bovis
  • Sarcoptes scabiei var. Bovis


Haarlinge:

  • Damalinia bovis


Ivomec ist auch zur Behandlung von Chorioptes bovis geeignet.

Mit der empfohlenen Dosis von 0,2 mg Ivermectin pro kg KGW kontrolliert Ivomec wirksam bis mindestens 7 Tage nach der Behandlung Infektionen von Ostertagia spp. und Cooperia spp. sowie bis mindestens 14 Tage nach der Behandlung Infektionen von Dictyocaulus viviparus.


4) Zunächst andere Tierheime kontaktieren, die die notwendigen Quarantänezeiten und Behandlungen gewährleisten können

Erst nach mehrwöchiger Quarantäne und nötigen tierärztlichen Behandlungen sollten die Ratten an Privatleute vermittelt werden, da sonst womöglich Krankheiten/ Parasiten über weite Entfernungen verschleppt bzw. die gesunden schon vorhandenen Ratten der Übernehmer infiziert werden oder es kommt zu unerwarteten und ungewolltem Nachwuchs von Weibchen.


5) Mögliche Aggressionen von Rattenböcken, sofern eine Wohnungsräumung o. ä. vorliegt

Aus Erfahrungen mit aus Wohnungsräumungen geholten Rattenböcken lässt sich sagen, dass diese, wenn sie nach dem Einfangen in Käfigen zusammensitzen, manchmal aggressiv gegeneinander werden und mit Beißereien reagieren können. Dann müssen im Extremfall einzeln gesetzt und evtl. kastriert werden.

In der Wohnung bzw. grundsätzlich wenn sie irgendwo freilaufend auf größerer Fläche gelebt haben, hatten die Böcke ggfs. ihre eigenen Ecken und Bereiche (Reviere), die von anderen Böcken respektiert und möglichst gemieden wurden.

Nach dem Einfangen sitzen die Rattenböcke dann wahllos mit verschiedenen Artgenossen zusammen, die nicht aus demselben Bereich kommen und damit sind Beißereien meist vorprogrammiert.

Es gibt allerdings genauso Erfahrungen, wo Böcke trotz großer Raumverfügbarkeit danach friedlich in Käfigen zusammensaßen.

Man sollte diesen Punkt also einfach im Hinterkopf behalten, um entsprechend reagieren zu können, wenn Aggressionen und Beißereien auftreten sollten.


Verwendete Literatur

  • Ewringmann, A. & Glöckner, B., 2008.Leitsymptome bei Hamster, Ratte, Maus und Rennmaus - Diagnostischer Leitfaden und Therapie. Enke Verlag, Stuttgart.
  • vetpharm